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Wan
Xia

Wan Xia 万夏1962 in Chongqing (Sichuan), China geboren, lebt in Beijing.

Die Fotografien des 1962 in Chongqing, Sichuan geborenen Wan Xia, finden an alltäglichen Orten statt. Er bewegt sich generell nicht gerne zu größeren Anlässen oder an touristische Plätze. Am liebsten findet er stille Abwege, ist dabei alleine unterwegs und bleibt unbemerkt.
Sein großer Fundus an Fotografien erweitert sich täglich. Eine Fotosammlung, die ausser ihm selber niemand kennt. Dabei arbeitet er mit unterschiedlichen Kameras, öfters sogar mit dem Handy. Den einzelnen Aufnahmen wird dabei nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Der interessante Prozess beginnt bei der Auswahl und dann bei der Anordnung der Fotografien zu den Aneinanderreihungen und Überschneidungen, wie sie im Endeffekt in seinen Fotoobjekten präsentiert werden.

Wan Xia’s Arbeiten haben Löcher. Ein Phänomen, zu dem sich der Künstler nie besonders äußert. Auf die Frage: warum alle Fotografien perforiert wurden, bekommt man meistens nur die flapsige Antwort: Weil sie dort hingehören.
Tatsache ist, dass die Linien, die durch die Anordnungen der Löcher entstehen, ein wichtiger Teil seiner gesamten Arbeit sind. Sie bilden deren Gerüst, das möglicherweise sogar schon vor der Anordnung durch die verschiedenen Fotografien bestanden hat.
Es geht dem Künstler weder darum, eine dreidimensionale Ebene zu schaffen, noch darum, Stellen in den einzelnen Aufnahmen durch die Löcher verschwinden zu lassen. Die Anordnung der Löcher folgt Wan Xia’s ganz persönlichen formalen Ansprüchen und kann als Interpretation seines fotografischen Blicks gedeutet werden, oder eben als Richtung, wie die Bilder gelesen werden sollen. Sie leiten die Aufmerksamkeit des Betrachters und unterteilen das Bild in verschiedene Ebenen.

Ein besonderes Charakteristikum in Wan Xia’s Fotoobjekten sind deren weite Flächen, die genauso als Leere und Momente der Stille interpretiert werden können.
Der Aufbau seiner Arbeiten ist vergleichbar mit dem Prozess des Durchsehens mehrerer ausgearbeiteter Fotos auf einer Ablage. Sofern nicht Foto für Foto feinsäuberlich übereinander geschlichtet wird, entsteht automatisch eine Form der Überschneidung aus den verschiedenen Bildern.
Wan Xia fotografiert seine Orte oft mehrmals von leicht unterschiedlichen Blickpunkten. Er ordnet unterschiedliche Fotos mit fast derselben Ansicht danach zu einer einzigen, erweiterten Arbeit an, deren Perspektive durch die lineare Abfolge der einzelnen Aufnahmen ausgedehnt wird. Handelt es sich um horizontale Linien entlang einer Meeresoberfläche, oder um die Sichtlinie in einem Park, verlängert er diese Ansichten gerne. Indem er unterschiedliche Fotos in deren horizontaler Linie aneinander reiht, entstehen die oben angesprochenen weiten Flächen.

Auf diese Weise werden zum Beispiel der Central Park in New York, den Wan Xia seit 2012 immer wieder an den unterschiedlichsten Stellen fotografiert hat, oder der Bund in Shanghai zu Orten, die Wan Xia’s Handschrift tragen, denen ein poetisches Moment innewohnt.
Wan Xia ist ein Reisender. So wie er seine Freunde und Umgebung rund um Chongqing, Sichuan, in den 80er und 90er Jahren zum automatischen Teil seiner Fotografien gemacht hat, dienten ihm in den 2000er Jahren die wachsenden Millionenstädte Chinas wie Jinan, Changsha oder Shanghai als Modelle. Er sucht in ihnen Details von staubigen Fassaden und Formen moderner Städtearchitektur, die er als spannungsgeladene Objekte umsetzt, oder auch die englisch angehauchte Architektur am Bund des schillernden Shanghai, in der chinesische und westliche Elemente zu einem prunkvollen, teuren Ambiente zusammen fließen.

Die Inhalte seiner Arbeiten haben sich über die Jahre, von seinem unmittelbaren Umfeld immer weiter nach Außen, in die Ferne bewegt, bis zu verlassenen Stränden in Taiwan oder in die Graslands in Central Oregon (USA). Was allen Arbeiten geblieben ist, ist der unverkennliche Charakter des Chinesischen Fotografen, dessen Lebensumfeld sich verschoben haben mag, aber nicht dessen Kultur und Tradition. (Alexandra Grimmer)